Gründungsresolutionen
In zwei Resolutionen, 1991 in Köln verabschiedet, hat sich die ISL ein unverwechselbares Profil geschaffen. Gründsätze zum Selbstbestimmten Leben werden in der ersten Resolution aufgestellt. Die zweite Resolution bestimmt Kriterien zum Schutz des Begriffs “Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen”. Im August 1991 wurde eine weitere Resolution zu den Zielen der ISL in Erlangen verabschiedet (englischer Text).
Gründungsresolutionen der ISL e.V.
Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. - ISL
Verein zur Förderung selbstbestimmten Lebens behinderter Menschen im Sinne der internationalen “Independent Living” Bewegung
Resolution 1
Verabschiedet am 20. April 1991
Grundsätze zum selbstbestimmten Leben
Mit der Verwendung des Begriffes ‘Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen’ verbinden wir von ISL das Ziel, gleichberechtigt in der Gemeinschaft zu leben und unsere Selbstbestimmung auszuüben.
Folgende Grundsätze sollen unsere Arbeit leiten:
- Selbstbestimmt Leben ist ein Prozess der Bewusstseinsbildung, der Entwicklung, persönlicher und politischer Entscheidungsbefugnis sowie der Emanzipation. Dieser Prozess befähigt uns gleiche Möglichkeiten, gleiche Rechte und die volle Teilnahme in allen Bereichen der Gesellschaft zu erreichen. Als behinderte Menschen müssen wir diesen Prozess individuell und kollektiv kontrollieren.
- Zur Verwirklichung eines selbstbestimmten Lebens bieten wir gezielte Unterstützung und Beratung von behinderten Menschen für behinderte Menschen an und verwenden demokratische Grundsätze in unserer Arbeit.
- Als gleichberechtigte Bürgerlnnen müssen wir den gleichen Zugang zu den grundlegenden Dingen des Lebens haben. Dazu gehören : Das Recht auf Nahrung,Kleidung, Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Hilfsmittel, Dienstleistungen zur persönlichenUnterstützung, Mobilität, Kommunikation, Informationen, Bildung, Arbeit, politische Betätigung, Zugänglichkeit aller gesellschaftlichen Bereiche sowie das Recht auf freie Sexualität, Kinder und Frieden.
- Unsere Initiativen für ein selbstbestimmtes Leben sind eine behinderungsübergreifende Bewegung, die sich für die Befriedigung der Bedürfnisse von allen behinderten Menschen einsetzt. Um dies zu gewährleisten, müssen wir uns von Vorurteilen befreien, die wir gegenüber Personen mit anderen Behinderungen als unsere eigenen haben und das Engagement anderer unterrepräsentierter Gruppen fördern.
- Wir müssen alle Voraussetzungen bekommen, die uns gleiche Chancen, wie sie Nichtbehinderte haben, einräumen und uns eine volle Teilnahme am Leben der Gemeinschaft ermöglichen, indem wir unsere Bedürfnisse, die Kompensationsmöglichkeiten und den Grad der Kontrolle über diese notwendigen Dienstleistungen selbst bestimmen.
- Kinder mit Behinderung müssen von ihren Familien und der Gesellschaft dahingehend unterstützt werden, dass sie ein eigenständiges Leben entwickeln können. Unsere Bürgerrechtsbewegung für ein selbstbestimmtes Leben lehnt den Aufbau und Erhalt von Einrichtungen ab, die behinderte Menschen durch Aussonderung diskriminieren oder durch ihre Angebote in besondere Abhängigkeit bringen und halten.
- Wir, die behinderten Menschen, müssen die Möglichkeiten haben, uns selber in der Forschung, Entwicklung, Planung und im Treffen von Entscheidungen in allen Bereichen und Angelegenheiten, die unser Leben berühren, zu engagieren.
Entscheidungen, die die Belange behinderter Menschen betreffen, dürfen nicht ohne Beteiligung derselben getroffen werden.
Resolution 2
Verabschiedet am 20. April 1991
Kriterien zum Schutz des Begriffs ‘Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen’
Jede öffentliche und nicht öffentliche Organisation, die den Titel ‘Selbstbestimmtes Leben behinderter - Menschen’ benutzen will, oder vorgibt, unter diesem Motto zu arbeiten, muss folgende Prinzipien und Kriterien erfüllen:
Solidarität
- Beratung, Information und Hilfen müssen behinderten Menschen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
- Die Aktivitäten müssen zum Wohle aller behinderter Menschen sein und deren Gleichbehandlung ungeachtet der Schwere ihrer Behinderung, ihres Geschlechts, ihres Alters und ihrer Herkunft gewährleisten.
- Engagement und unterstützendes Handeln für die Verbreitung der Grundsätze des ‘Selbstbestimmten Lebens behinderter Menschen’.
Weiterbildung
- Weiterbildung gilt als wichtiges Werkzeug, um in der Lage zu sein, Erfahrungen und Einsichten weiter zu geben, und kann damit Menschen mit Behinderung befähigen, dem psychologischen, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Druck, dem sie ausgesetzt sind, standzuhalten.
- In diesem Sinne sollen behinderte Menschen durch Beratung und Schulung ihrer speziellen Fähigkeiten ermutigt werden, so dass sie in allen Bereichen des Lebens aktiv mitwirken können.
De-Institutionalisierung
- Gegenpol zu allen mobilen und niedergelassenen öffentlichen oder privaten Einrichtungen zu sein, die bestimmte Regeln für behinderte Personen im Umgang mit ihrer Behinderung aufstellen. Da dies jedoch immer mit einer Behinderung bei der Entfaltung eines individuellen Lebensstils einhergeht, sind diese Institutionen abzulehnen.
- Insbesondere ist es jenen Institutionen untersagt, den Titel ‘Selbstbestimmtes Leben Behinderter’ zu führen, die mit Organisationen zusammenarbeiten, die behinderte Menschen in speziellen Einrichtungen unterbringen, die keine Möglichkeiten zur freien Entfaltung der Persönlichkeit bieten.
Organisationsstruktur
Solche Initiativen, Vereine, Verbände und Dachorganisationen dürfen den Titel ‘Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen’ führen,
- wenn das aktive Stimmrecht nur von behinderten Mitgliedern ausgeübt wird,
- wenn alle Entscheidungspositionen von behinderten Personen bekleidet werden,
- dabei muss der gesamte Vorstand aus behinderten Mitgliedern bestehen,
- wenn mindestens 3/4 der bezahlten oder ehrenamtlichen Tätigkeit in der Verantwortung behinderter Menschen liegt,
- wenn bei Versammlungen, Verhandlungen, Auftritten in Medien usw. die Organisation ausschließlich durch behinderte Personen repräsentiert wird.
Diese Grundsätze wurden auf der ISL - Mitgliederversammlung vom 19. - 20. April 1991 in Köln verabschiedet.