Fachstelle Teilhabeberatung am Gängelband des BMAS!?
Entsetzt und empört reagiert die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. – ISL auf die Ausschreibung des BMAS zur Einrichtung und zum Betrieb einer Fachstelle Teilhabeberatung, die kurz vor Ostern veröffentlicht wurde: „Hier wird die eierlegende Wollmilchsau gesucht, die aus dem Stand alles realisiert, was das BMAS selbst nicht schafft, aber immer erst im Nachhinein finanziert wird, wenn die Produkte das Wohlgefallen des BMAS gefunden haben“, kritisiert die ISL-Geschäftsführerin Dr. Sigrid Arnade. Zum Hintergrund: Die Fachstelle Teilhabeberatung soll als übergreifende Infrastruktur die Einführung der „Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung“ nach § 32 (neu) SGB IX unterstützen und befördern.
Als Beispiel für die ihrer Ansicht nach überzogenen Ansprüche nennt Arnade eine nutzerorientierte barrierefreie App für alle gängigen Betriebssysteme, die bis zum 1. Juli 2018 entwickelt werden solle, während es die Bundesregierung selbst mit all ihren hochdotierten Beamten seit Jahren nicht schafft, ein barrierefreies Notrufsystem für gehörlose Menschen zu realisieren. Sofort nach Zuschlagserteilung (vermutlich frühestens im letzten Quartal 2017) solle die Arbeit in vollem Umfang aufgenommen werden, ein Konzept zur Entwicklung von Qualitätsstandards müsse bis zum 31. Dezember 2017 vorliegen. „Wenn man bedenkt, dass eine halbe Million Euro, die 2016 zur Unterstützung von Selbstvertretungsorganisationen im Bundeshaushalt eingeplant waren, ungenutzt zurückgegeben werden mussten, nur weil die entsprechende Förderrichtlinie durch das BMAS nicht rechtzeitig erstellt wurde, sind diese zeitlichen und inhaltlichen Vorgaben einfach lächerlich“, so Arnade.
Ein weiteres Beispiel für das enge zeitliche Korsett, in das die Fachstelle gezwungen wird, sei der Abgabetermin für den Abschlussbericht: „Die Fachstelle wird bis zum 31.12.2022 betrieben, der Abschlussbericht ist bereits zehn Tage später am 10.01. 2023 fällig, während das BMAS sich selbst für die Abnahme von Leistungen jeweils eine Frist von vier Wochen einräumt“. Neben vielen weiteren Kritikpunkten empfindet es Arnade als besonders unzumutbar, dass Zahlungen für bereits erbrachte Leistungen immer erst erfolgen, wenn das Arbeitsergebnis durch das BMAS abgenommen wurde. „Eine unabhängige, an der Qualität orientierte Arbeit ist so nicht realisierbar, denn im Zweifelsfall bestimmt das BMAS durch den Geldhahn das Ergebnis. Planungssicherheit und die Absicherung der Mitarbeitenden kann man unter solchen Bedingungen vergessen.“
Arnade verhehlt auch ihre Enttäuschung nicht: „Als ´Erfinder´ des Peer Counselings in Deutschland hätten wir mit unserer hohen Fachlichkeit unter annehmbaren Bedingungen Interesse daran gehabt, uns um die Fachstelle zu bewerben. Unter den gegebenen Umständen kann ich eine Bewerbung aber nur einer Organisation empfehlen, der sich partout unglücklich machen will, indem sie zwischen BMAS, der Abrechnungsstelle und den Beratungsstellen zerrieben wird.“
Grafik: Lebenshilfe Bremen