Grit Kühlborn - neu bei der ISL

Porträt von Grit Kühlborn (c) PrivatGrit Kühlborn hat vor kurzem ihr Studium beendet und arbeitet seit 1. Juli 2017 in dem vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten und von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) durchgeführten Projekt CASCO - vom Case zum Coach. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul sprach mit der 26jährigen über ihren Start ins Arbeitsleben und was sie dabei bewegt.

kobinet-nachrichten: Sie haben Anfang Juli neu mit Ihrer Arbeit bei der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) angefangen. Was bringt Sie zur ISL?

Grit Kühlborn: Ich bin das erste Mal auf die ISL gestoßen, wie viele Jobsuchende auf künftige Arbeitgeber stoßen – über eine Stellenanzeige in der Jobbörse. Die Ausschreibung klang sehr reizvoll. Dann habe ich mich genauer zur ISL informiert und je mehr ich wusste, umso interessanter erschien mir die Stelle. Auch meine Familie meinte: "Mensch, das ist genau dein Ding." Ich war wie bei jeder Bewerbung skeptisch, da ich Berufsanfängerin bin. Irgendwann habe ich mich dann getraut und gedacht: "Mehr als Nein sagen können sie nicht." Ich wurde zum Gespräch eingeladen – an einem Mittwoch, das weiß ich noch ganz genau. Zwei Tage später teilte mir Dr. Sigrid Arnade dann telefonisch mit, dass die ISL gern mit mir arbeiten würde und Jena ab 1. Juli 2017 mein Arbeitsort werden würde. Ja, und hier bin ich!

kobinet-nachrichten: Sie haben ja im Bereich Politik und Kommunikation studiert, was war das genau?

Grit Kühlborn: Das stimmt. Ich habe ein Bachelorstudium der Politikwissenschaft abgeschlossen und das Masterstudium, das ich mir anschließend ausgesucht habe, nannte sich "Politische Kommunikation". Es war inhaltlich gewissermaßen eine Kombination aus Politikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft und Soziologie. Abgeschlossen habe ich dieses Studium schließlich im Dezember letzten Jahres mit einer Masterarbeit zur UN-Behindertenrechtskonvention und der deutschen Inklusionsdebatte.


kobinet-nachrichten: Neu und mit 26 Jahren noch recht jung in einem Verein, der schon seit fast 26 Jahren die Behindertenpolitik in Deutschland aktiv mitgestaltet und zu verändern versucht, wie fühlt man sich da?

Grit Kühlborn: Ganz ehrlich? Wie das Küken. Und das meine ich nicht nur mit Blick aufs Alter, sondern vor allem in Hinblick auf Wissen und Erfahrung. Na klar, ich lebe seit meiner Geburt mit meiner Behinderung und habe so wie viele andere auch bestimmte persönliche Erfahrungen gemacht. Aber was kann eine behinderte junge Frau, die gerade frisch von der Uni kommt in einen Verein einbringen, in dem manche Mitglieder der ersten Stunde so lange aktiv sind, wie ich auf der Welt bin? Diese Frage ging mir schon wiederholt durch den Kopf. Aber derzeit komme ich kaum dazu, über solche Dinge nachzudenken. In den ersten Tagen hier strömt so wahnsinnig viel auf mich ein: eine neue Stadt, neue KollegInnen sowohl hier in Jena als auch über Deutschland verteilt, neue Aufgaben und Anforderungen. Da schwirrt einem nach Feierabend schon ordentlich der Kopf. Aber – und das möchte ich an dieser Stelle mal ausdrücklich sagen – das herzliche Willkommen aus dem Kreis der KollegInnen egal ob hier vor Ort oder aus den anderen Zentren per Mail, machte mir den Einstieg doch wesentlich leichter als ich zuvor gedacht hätte. Ein ganz, ganz herzliches Danke von meiner Seite dafür! Aber irgendwie ist diese Vielfalt an unterschiedlichsten Erfahrungen und Eindrücken – persönlich wie fachlich - auch genau das, was diese Anfangsphase für mich so spannend und abwechslungsreich macht und ich freue mich einfach jeden Tag darauf, zur Arbeit zu kommen.

kobinet-nachrichten: Sie arbeiten bei der ISL in einem konkreten Projekt mit. Welches ist das und worum geht es dabei?

Grit Kühlborn: Das stimmt. Meine Hauptaufgabe ist das Projekt CASCO – Vom Case zum Coach. Ziel dieses Projektes ist es, Menschen mit Behinderung zu Referent*innen über eine menschenrechtsbasierte Behindertenpolitik auszubilden, sodass letztlich eine Art "ExpertInnenpool" entsteht, auf den Interessierte bei Fort- und Weiterbildungen zurückkommen können. Ich breche es gern folgendermaßen runter, wenn mich meine Familie und Freunde fragen: Es geht darum, Fragen zum Thema Behinderung und allen damit verbundenen Aspekten künftig verstärkt mit Menschen zu thematisieren, die wie ich und viele KollegInnen mit ihrer jeweiligen Behinderung leben. Mit den Menschen reden – auf Augenhöhe. Nicht mehr länger nur über sie.

kobinet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche für Ihre zukünftige Zusammenarbeit mit den verschiedenen Akteuren hätten, welche wären dies?

Grit Kühlborn: Ehrlich gesagt denke ich, dass im Laufe der Zeit und je mehr Einblicke ich gewinnen werde, die Wünsche zunehmen oder zumindest konkretere Formen annehmen werden. Jetzt im Moment wünsche ich mir, dass mit allen Akteuren und KollegInnen ein offener, respektvoller, konstruktiver Austausch und Umgang stattfinden wird. In einem zweiten Schritt hoffe ich, dass immer die Sache im Vordergrund stehen wird, ich zu den Anliegen und Zielen der ISL meinen persönlichen Anteil leisten kann damit behinderte Menschen irgendwann in der Zukunft nicht mehr mit Barrieren konfrontiert sein werden – weder im Alltag noch in den Köpfen. Davon heute schon zu träumen, ist erlaubt oder?

Kobinet-nachrichten: Auf jeden Fall. Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg im neuen Job.