Heumann: Vom „Americans with Disabilities Act“ (ADA) lernen
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- Erstellt: Mittwoch, 30. März 2011 13:54
Judith Heumann, Sonderberaterin für Internationale Behindertenrechte im US-Außenministerium, hat im Rahmen eines Gespräches mit Arbeits- und Sozialministerin Ursula von der Leyen herausgestellt, dass Deutschland vom „Americans with Disabilities Act“ (ADA) lernen könne. So werde im ADA die Barrierefreiheit nicht nur für den öffentlichen Bereich (wie in deutschen Gleichstellungsgesetzen) geregelt, sondern auch für den Privatbereich. Im US-Gesetz von 1990, so Heumann, seien etwa auch Hotels, Restaurants, Kinos, Museen oder Theater dazu verpflichtet worden, behinderten Gästen die gleichen Wahl- und Zugangsmöglichkeiten zu bieten wie nichtbehinderten Gästen. Die US-Wirtschaft sei damit nicht über Gebühr belastet worden. Ministerin von der Leyen zeigte sich dieser Argumentation gegenüber aufgeschlossen und sagte zu, in dieser Frage im Dialog bleiben zu wollen. Neben Heumann und von der Leyen nahmen auch der US-Amerikanische Gesandte Greg Delawie sowie die ISL-Geschäftsführerin Sigrid Arnade an dem Gespräch teil.
Heumann, die auf Einladung der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) in Berlin weilte, hatte bereits am Tag vorher ein Gespräch mit SPD-Bundestagsabgeordneten in der Parlamentarischen Gesellschaft geführt, an dem unter anderem auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzenden Hubertus Heil und die vormalige Behindertenbeauftragte Karin Evers-Meyer teilnahmen. Heumann erläuterte den Stand der inklusiven Erziehung anhand der US-Gesetze und betonte die Bedeutung der Lehrerbildung, wenn Inklusion Erfolg haben soll. Außerdem stellte sie die Bedeutung der Selbstvertretung anhand der amerikanischen Centers for Independent Living (CILs) dar. Das Rollenvorbild der selbst betroffenen Beraterinnen und Berater sei wichtig, um das medizinische Modell von Behinderung in den Köpfen der Gesellschaft zu überwinden.
Weitere politische Gespräche im Rahmen des ISL-Programms führte Heumann mit Theresia Degener, Mitglied des UN-Überwachungsausschusses zur Behindertenrechtskonvention, sowie mit Claudia Lohrenscheid, Leiterin der Abteilung Menschenrechtsbildung im Deutschen Institut für Menschenrechte (DIMR) und Valentin Aichele, dem Leiter der Monitoringstelle. Ein Schwerpunkt der Gespräche im DIMR war die inklusive Entwicklungszusammenarbeit. Hierbei müsse es darum gehen, betonte Rika Esser, die für die Christoffel Blindenmission (CBM) teilnahm, dass die Belange behinderter Frauen und Männer auf allen Ebenen berücksichtigt werden. Die Selbstvertretungsorganisationen vor Ort, etwa in Pilotprojekten der Entwicklungszusammenarbeit in Chile, Haiti, Usbekistan oder Kambodscha müssten in alle Programme aktiv einbezogen werden und langfristig seien alle Pilotprojekte in die reguläre Arbeit einzugliedern („Disability mainstreaming“).
Ferner stellte Heumann auf einer gemeinsamen Sitzung des Deutschen Behindertenrates und des Europäischen Behindertenforums (EDF) heraus, dass die USA die Konvention zwar unterzeichnet hätte, die Ratifizierung aber noch ausstehe. Dazu müssten jedoch noch 67 der 100 US-Senatsmitglieder überzeugt werden. Zum Abschluss ihres Besuches sprach die Sonderberaterin zum Start der Inklusionstour beim Bundesbehindertenbeauftragten Hubert Hüppe.
„Der Besuch von Judith Heumann in Berlin war zwar kurz, aber er hat uns wieder neu motiviert“ fasste Sigrid Arnade zusammen. „Es hat sich deutlich gezeigt, dass die amerikanische Independent-Living-Bewegung und die deutsche Selbstbestimmt-Leben-Bewegung eng zusammengehören. Ermutigend war auch die gute und durchgehende Unterstützung durch die amerikanische Botschaft in Berlin. Mit ihr haben wir konkrete Projekte angedacht, die wir bald verwirklichen wollen.“