Bedient die FDP ihr Klientel zu Lasten Pflegebedürftiger?

Porträt von Uwe Frevert (c) ISL e.V.Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hat der "Bild"-Zeitung gesagt, die Koalition wolle "die Pflegeversicherung um eine so genannte kapitalgedeckte Säule ergänzen." Uwe Frevert, Vorstandsmitglied der Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben (ISL) in Deutschland sagt in einem Gastkommentar,  für kobinet, warum er gegen eine Beitragserhöhung der Pflegeversicherung ist. Hier sein Beitrag:

 

Im Rahmen der Pflegeversicherungsleistung könnte viel Potential in den Privathaushalten der Pflegebedürftigen gefördert werden. Indem legale abhängige Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt anerkannt werden, könnte wesentlich mehr personelle Hilfe gesichert werden. Wenn die Regie für Dienstpläne und Personalgewinnung von Privathaushalten selbst organisiert werden, könnten Gelder sinnvoller als in die überblähte Bürokratie für Pflegedokumentation, schicke Kraftfahrzeuge und Büromieten verwendet werden.

Bei Einführung der Pflegeversicherung ging es für uns behinderte Menschen um den Machtverlust über die Kontrolle des eigenen Lebens mit Behinderung. Die Pflegeversicherung bedeutet für uns keinen menschenwürdigen Umgang der professionellen Pflegedienste mit uns. Kein Pflegedienst garantiert heute, dass ich dann auf die Toilette gehen kann, wenn ich den Drang dazu verspüre. Die Pflegedienstleitung bestimmt den Dienstplan und so ist ein Toilettengang nur nach Plan möglich und nicht bei Bedarf.

Kein Pflegedienst vermittelt den behinderten Personen oder ihren Angehörigen Kenntnisse über Personalführung oder die besonderen Anstellungsverhältnisse für die Beschäftigung von Personal in Privathaushalten. Die Pflege ist ein Geschäft für "Wohltäter" geworden und der Gesundheitsminister Daniel Bahr von der FDP hat sicherlich kein Interesse daran, unser Selbsthilfepotential zu fördern. Allein die Tatsache, dass es bis heute keine EDV-Software gibt, die die Beschäftigungsverhältnisse in den Privathaushalten finanztechnisch verwalten könnte, ist ein Beleg dafür, dass dieses Selbsthilfepotential nicht erwünscht ist. Und wenn weiter berücksichtigt wird, dass durchschnittlich jeder Privathaushalt ca. 100.000 Euro zur Pflegeversicherung hinzu zahlen muss, um die Hilfe zu erhalten, dann wird deutlich, wer hier bedient werden soll. Ganz zu schweigen von der Schwarzarbeit, die wegen mangelhafter Unterstützung in den Privathaushalten notwendigerweise zum Einsatz kommen muss.

Experten gehen davon aus, dass der Beitrag für die Pflegeversicherung bis auf sieben Prozent angehoben werden muss, wenn weiterhin in dem bisherigen System der Pflegeversicherung die Hilfe erbracht wird. Das aber kann nicht die Lösung sein, denn bereits heute haben die Pflegedienste erhebliche Personalprobleme, weil alle Beteiligten wissen, dass dies keine menschenwürdige Leistung ist.

Was wir brauchen, ist eine systematische Förderung der Beschäftigungsverhältnisse in den Privathaushalten behinderter Menschen. Volkswirtschaftlich betrachtet ist dieses Hilfeprinzip auf jeden Fall kostengünstig. Wir haben hierzu seit fast 30 Jahren Erfahrung und wir nennen es Persönliche Assistenz. Es erlaubt uns, die Hilfe eigenständig und legal zu organisieren, unabhängig von Pflegediensten und den Anstalten der stationären Unterbringung.