Kaum barrierefreie Klinikstandards in Deutschland
Löningen (kobinet) "Da sausen einem die Ohren - Auf der Suche nach barrierefreien Klinikstandards". So titelte die Inklusionsbotschafterin Jennifer Sonntag am 18. Dezember 2016 ihren Beitrag für die kobinet-nachrichten, in dem sie sich mit den Standards zur Barrierefreiheit im Gesundheitsweisen auseinandersetzt und auf eigene Erfahrungen blickt. Dieser Beitrag hat Diana Hömmen, die sich als Inklusionsbotschafterin intensiv mit dem Thema Inklusion im Gesundheitswesen befasst, zu folgendem Beitrag für die kobinet-nachrichten veranlasst.
Bericht von Diana Hömmen
InklusionsbotschafterIn Jennifer Sonntag hat einen interessanten Artikel geschrieben „Auf der Suche nach barrierefreien Klinikstandards“ und liefert die Lösung gleich mit. Nur das Problem ist, dass in Deutschland die Länder für die Kliniken zuständig sind. In meiner Zeit als Inklusionsbotschafterin habe ich mich mit dem Projekt "Medizin trifft Pädagogik, ein schwieriges Verhältnis" beschäftigt und festgestellt, dass im Krankenhaus kaum Barrierefreiheit besteht. Das Problem beginnt schon in der Ausbildung bei den Pflegeberufen: "Barrierefreiheit" ist kein Pflichtfach und bei den Ärzten kommt die Thematik im Studium nicht vor, nur in der Krankheitslehre wird es kurz angeschnitten. Hier spreche ich aus eigener Erfahrung mit meiner 32 jährigen Tätigkeit im Gesundheitswesen. Hier vor Ort im Landkreis Cloppenburg, direkt in meinem kommunalen Wohnzimmer, gibt es nur eine Klinik, die sich damit beschäftigt. Diese befindet sich in Friesoythe. Der Grund dafür ist, da die Behindertenwerkstätten Altenoythe in direkter Nachbarschaft sind und die Patienten versorgt werden, hat man sich der Thematik angenommen. Das finde ich gut. Das Kreiskrankenhaus Cloppenburg baut demgegenüber für Millionen Euro von Steuergeldern um und an, aber nicht nach Standards der Barrierefreiheit. Für das Krankenhaus in Löningen und Quakenbrück kommt dieses auch nicht in Betracht.
In meiner Arbeit am Patienten war es für mich immer wichtig, den Patienten mit Behinderung, auch seine AssistentInnen, mit einzubeziehen, ihn als eine wichtige Kommunikationsbrücke zu sehen, was mir die Arbeit auch erleichtert, um auf die individuellen Wünsche einzugehen. Das kam oft bei den KollegInnen nicht gut an, das kostet nämlich Zeit. Auf meine Anfrage an die Krankenpflegeschulen Cloppenburg, Quakenbrück und Vechta wurde nicht geantwortet, das Thema kommt in der Ausbildung nicht vor. Im März 2016 habe ich in Hannover mit der Bundesbeauftragten der Bundesregierung für Menschen mit Behinderung Verena Bentele über die Thematik der "barrierefreien Krankenhäuser" und dem barrierefreien Gesundheitssystem gesprochen. Zum Schluss gab sie mir Recht, das kommt im deutschen Gesundheitssystem kaum vor. Ebenso hatte ich eine Anfrage im November 2015 an den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigten für Pflege Karl Laumann zum Thema Barrierefreiheit im Gesundheitssystem und in Krankenhäuser gestellt. Die Antwort war nicht zufriedenstellend, ein Danke für die Anregung und eine Weiterleitung in die Ausschüsse und Berücksichtigung in den nächsten Gesetzesänderungen. Vor allem sei es wichtig, das bei Änderungen des Krankenhausstrukturgesetzes, wo die Kosten für Umbaumaßnahmen festgelegt werden, zu berücksichtigen.
Weiterhin sind die Universitäten Oldenburg und Osnabrück überfordert mit der Thematik. Ebenso gibt es keine zufriedenstellenden Antworten der Berufsverbände Pflege in Deutschland, das ist für mich erschreckend. Ein Tabuthema was ich in der Pflege nicht vermutet hätte, allein aus ethischer Sicht. Alle PatientInnen sind für mich gleich und haben ein Recht auf barrierefreie Klinikstandards. Selbst die größte Fachzeitschrift "Die Schwester/Der Pfleger" tut sich schwer mit der Thematik. In der Oktober-Ausgabe 2016 schrieb Prof. Dr. Magdalena Stroka-Wetsch für Wirtschaftswissenschaften an der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Brühl den Artikel "Inklusion ausgeschlossen?" Da muss ich ihr Recht geben, dass man sich mit der Thematik nicht auseinandergesetzt hat, besonders ausgehend von der Altenpflege. Eine Antwort auf meine Fragen bekam ich nicht und das zeigt mir einmal wieder, das Studierte nicht gerne mit Nicht-Studierten kommunizieren; vor allem wenn ich in jungen Jahren eine Professorentitel erhalte, ohne in dem eigentlichen Fachbereich an der Basis gearbeitete zu haben. Ihnen fehlt die Basis, um effektiv zu lehren. Den Leserbrief hat man veröffentlicht mit der Überschrift "Mangelhaft“ in der November-Ausgabe von "Die Schwester/Der Pfleger". Barrierefreie Klinkstrukturen sind in einer Fachzeitschrift nicht gefragt.
Auf meiner letzten Fortbildung im Jahr 2016 auf dem "8. Appollon Symposium der Gesundheitswirtschaft" am 25. November 2016 in Bremen mit dem Thema "Digitale Gesundheitskommunikation" habe ich das Thema Inklusion vermisst, obwohl dies als Medium für eine gute Kommunikation wichtig für die Zukunft ist. Auf Nachfrage bei der Leiterin des Verlag für Wissenstransfer "Apollon University Press" gibt es kein Buch oder keine Arbeit, die sich mit dem Thema der UN-Behindertenrechtskonvention in der Gesundheitswirtschaft beschäftigt. Ich wäre die einzige Fachkraft aus dem Gesundheitswesen, die nach dieser Literatur gefragt habe. Gerade im Bereich Krankenhaustruktur und Gesundheitswirtschaft kommt das Thema schlichtweg nicht vor.
Fazit: Der Artikel von Jennifer Sonntag spiegelt eine unhaltbare Situation im Krankenhausstrukturgesetz wider. Für FachexpertInnen für Gesundheit steht in Deutschland die Gewinnmaximierung an erster Stelle, was auf dem Rücken der PatientInnen ausgetragen wird. In Kommunen vor Ort muss ein Umdenken erfolgen und der Fachbereich Gesundheit gehört in einer modernen Kommunalpolitik dazu wie zum Beispiel Sport oder Kultur. Ich hoffe Jennifer Sonntag bleibt dran an der Thematik, dann habe ich eine Mitstreiterin dazu gewonnen.
Mein Motto für meine Arbeit ist ein Satz von Mahatma Gandhi: "Zuerst ignorieren sie dich, dann lachen sie über dich, dann bekämpfen sie dich, und dann gewinnst du."