Pause bei Inklusion ist Menschenrechtsverletzung
Löhningen (kobinet) Die Ankündigung einer "Denk- und Atempause bei der Inklusion" durch den Spitzenkandidaten der CDU für die Landtagswahl in Niedersachsen, Bernd Althusmann während des Cloppenburger CDU Kreisparteitags hat die Inklusionsbotschafterin Diana Hömmen nicht nur maßlos geärgert, sondern zu folgendem Kommentar für die kobinet-nachrichten veranlasst.
Kommentar von Diana Hömmen
Das was Herr Althusmann fordert, Pause bei der Inklusion in den Schulen, ist ein Verstoß gegenüber der UN-Behindertenrechtskonvention. 2015 hat man in Genf bei der Staatenprüfung gesehen, dass Deutschland nicht im Soll liegt, verbessert habe sich praktisch nur wenig. Als ehemaliger Kultusminister hatte Herr Althusmann seine Hausaufgaben nicht gemacht und nun fordert er einen Rückschritt. Wo sich Inklusion bewährt hat, ist in Italien. Dort arbeitet man seit 40 Jahren im Bildungswesen inklusiv. In der deutschen Bildungslandschaft ist es anscheinend immer noch neu - für die ItalienerInnen seit 40Jahren normal: gemeinsamer Schulunterricht von Kindern mit und ohne Behinderung. Seit 1977 gibt es keine Förder- beziehungsweise Sonderschule mehr in Italien. Damals wurden behinderte und nichtbehinderte SchülerInnen per Gesetz gleichgestellt. Dort hat man sich Zeit gegeben, um aus Fehlern zu lernen. In Deutschland dagegen sagen die Ewiggestrigen Selektionspolitiker bei jeden ernst zu nehmenden Anstrengungen: „Wir haben es immer schon gesagt, Inklusion funktioniert nicht. Deshalb Einstieg in den Ausstieg jetzt.“
Niedersachsen macht sich das Leben in der Schulpolitik selber schwer. Ich höre nur, "das geht nicht". Fakt ist, die inklusive Schule hat es immer schon vereinzelt gegeben, nur sehen wollte man sie nie. Nur die Verantwortlichen müssen lernen, miteinander zu arbeiten und aufeinander zuzugehen, das heißt Kompromisse erarbeiten und umzusetzen. In Italien hat man aus Fehlern gelernt. Inklusion ist eine Generationenfrage. Heute legen wir den Grundstein, in der 3. Generation ist sie normal. Was nützen an Schulen inklusive Lerngruppen, wenn die Schulen nicht vollständig barrierefrei aus- und umgebaut sind. Mit einem Aufzug ist man nicht gleich barrierefrei. Hier zeigt sich deutlich, die Politik verweigert die Gelingensbedingungen für Inklusion. Wer Inklusion will, muss die Schulgebäude entsprechend gestalten. Dazu gehören auch Räume für Kleingruppen und Differenzierungsräume an den Schulen. Alle Parteien in Niedersachsen gingen und gehen allen Ernstes davon aus, dass die Schulinklusion nicht nur gratis zu haben sei, sondern sogar Geld spare. Ohne Geld für Personal und Barrierefreiheit geht die Schulinklusion nicht. Die Schulinklusion wird systematisch kaputtgespart. Inklusion als Einladung, unsere Welt im Sinne des Verbundenseins neu sehen zu lernen und dabei Kompetenzerleben zu ermöglichen.