Behinderte Pflegekinder nicht benachteiligen
Gütersloh: Kinder mit Behinderungen, die nicht in ihren Herkunftsfamilien aufwachsen können, erleben nach Ansicht des Aktionsbündnis Kinder mit Behinderungen in Pflegefamilien und des Bundesverband behinderter Pflegekinder noch erhebliche Benachteiligungen. Mit einem offenen Brief haben sich die Akteure nun an die Parteien gewandt, um in einem zukünftigen Koalitionsvertrag Verbesserungen zu erreichen. Darauf hat der Inklusionsbotschafter Jürgen Linnemann aufmerksam gemacht, dem dieses Thema besonders am Herzen liegt.
Die Verbände treten mit der dringenden Bitte an die Parteien heran, in den Verhandlungen zur Koalitionsvereinbarung die Umsetzung der Rechte von Kindern mit Behinderungen auf der Grundlage der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) aufzunehmen. Im folgenden dokumentieren wir den offenen Brief:
"Diese sind insbesondere:
1. Immer noch müssen Pflegekinder mit Behinderungen in Verantwortung der Sozialhilfe häufig mit schlechteren Rahmenbedingungen Vorlieb nehmen. Gemäß Artikel 7 Abs. 1 UN-BRK sollen Kinder mit Behinderungen Kindern ohne Behinderung rechtlich gleichgestellt sein. Nach Artikel 4 Abs. 1 UN-BRK sind hierfür alle Gesetzgebungsmaßnahmen zur Umsetzung dieser Rechte zu treffen. Es muss die seit langem geforderte Gesamtzuständigkeit des SGB VIII für Kinder mit und ohne Behinderung geschaffen werden.
2. Immer noch werden Kinder mit Behinderungen eher in Einrichtungen untergebracht anstatt qualifizierte Pflegefamilien zu fördern. Gemäß Artikel 23 Abs. 5 UN-BRK ist unsere Regierung verpflichtet, alle Anstrengungen zu unternehmen, für Kinder mit Behinderungen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben können, die Betreuung in einer Pflegefamilie zu gewährleisten. Es müssen bundeseinheitlich gesetzlich geregelte Standards in der Pflegekinderhilfe für Kinder mit Behinderungen geschaffen werden.
3. Pflegeverhältnisse für junge Volljährige werden derzeit in erschreckendem Umfang zum „Privatproblem" der Pflegefamilie erklärt. Unter Missachtung der Hilfekontinuität werden punktgenau mit Erreichen der Volljährigkeit wesentliche Rahmenbedingungen der Leistung geändert und damit Teilhabechancen der Betroffenen massiv beeinträchtigt. Gemäß Artikel 19 UN-BRK sollen junge Menschen mit Behinderungen, die in einer Pflegefamilie leben, mit Eintritt der Volljährigkeit das Wunsch- und Wahlrecht haben, über ihren weiteren Aufenthaltsort selbst zu entscheiden. Wenn dies ihre bisherige Pflegefamilie ist und sie aufgrund ihrer Behinderung nicht allein leben können, sondern weiter auf Pflege und Betreuung angewiesen sind, muss die Fortsetzung dieser Hilfemaßnahme über das 18. Lebensjahr hinaus ohne Leistungskürzung möglich sein.
In Deutschland gibt es nach den Erhebungen des statistischen Bundesamtes ca. 134 000 Minderjährige unter 15 Jahren mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen. Von ihnen sind ca. 8.4 Prozent, insgesamt 11.000, in stationären Wohnformen untergebracht. Bei Umsetzung der von uns genannten Forderungen hätte eine Vielzahl von ihnen die Chance, in der Geborgenheit einer Pflegefamilie aufzuwachsen.
Die Kosten der Unterbringung eines Kindes mit Behinderung in einer Pflegefamilie sind jährlich um ca. 30.000 € günstiger als in einer stationären Einrichtung. Bei 100 Kindern wäre dies alleine schon ein Betrag von 3 Millionen €. Die Möglichkeit der Einsparung öffentlicher Gelder in einem so hohen Umfang sollte ebenso Anstoß dazu sein, die o.g. Forderungen der UN-BRK für Kinder mit Behinderungen in der nächsten Legislaturperiode des Deutschen Bundestages umzusetzen.
Wir bitten Sie um Ihre Unterstützung für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderungen, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie aufwachsen können.!
Kerstin Held
Vorsitzende Bundesverband behinderter Pflegekinder e.V.
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www.bbpflegekinder.de
Frauke Zottmann-Neumeister
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Peter Kreuels
Vorsitzender Aktionsbündnis Kinder mit
Behinderungen in Pflegefamilien e.V.
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