Anmeldefrist für Heimkinderfonds verlängern
Berlin / Hofgeismar (kobinet) Bis Ende 2019 können Menschen, die in Behinderteneinrichtungen und Psychiatrien in der Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949 bis Ende 1975 und in der DDR vom 7. Oktober 1949 bis zum 2. Oktober 1990 Unrecht und Leid erfahren mussten, noch Anträge bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe stellen. Für diesen Fonds haben Betroffene und engagierte Akteure aus der Politik, Verwaltung und den Verbänden gekämpft. Nachdem letztes Jahr entsprechende Beratungsstellen eingerichtet wurden, zeigt sich nach Ansicht der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) bereits jetzt, dass die Zeit für die Antragstellung für viele Betroffene viel zu kurz ist, so dass der Verband eine Verlängerung der festgesetzten Antragsfrist um zwei Jahre fordert.
"Erste Erfahrungen zeigen, dass es für die Betroffenen nicht leicht ist, sich ihrer eigenen Geschichte zu stellen, diese so aufzubereiten, dass es für eine Antragstellung passt und eine geeignete Unterstützung bzw. entsprechende Informationen zu finden. Viele Einrichtungen haben sich zudem ihrer beschämenden Geschichte noch gar nicht gestellt, bzw. fangen gerade erst damit an, was die Antragstellung für die Betroffenen zum Teil erheblich erschwert", schildert Ottmar Miles-Paul von der ISL seine Erfahrungen und Eindrücke vom bisherigen Anerkennungsprozesses. Die bayerische Geschäftsstelle der Stiftung Anerkennung und Hilfe hat zum Beispiel mit Stand 31. März 2018 bisher nur an 149 Betroffene aus Bayern, die bis 1975 Unrecht und Leid in Behinderteneinrichtungen oder Psychiatrien erleben mussten, Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen ausgezahlt. Dies geht aus einer Antwort des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales auf eine Anfrage der kobinet-nachrichten im Nachgang zur Berichterstattung des Bayerischen Rundfunks über Medikamententests in Behinderteneinrichtungen im Mai 2018 hervor.
Für den Inklusionsbotschafter Josef Ströbl, der selbst einen Antrag bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe gestellt und mittlerweile auch das Geld ausbezahlt bekommen hat, ist klar: "Die Betroffenen brauchen mehr Zeit. Es ist sehr schwer, sich auf die eigene Geschichte einzulassen. Und dafür braucht es eine gute Unterstützung. Wenn behinderte Menschen diese nicht haben, haben viele von uns keine Chance", fasst Josef Ströbl seine Erfahrungen zusammen. Mit dem Geld, dass Josef Ströbl aus der Stiftung für das erlebte Leid bekommen hat, will er nun dazu beitragen, dass diese Geschichte aufgearbeitet und nicht vergessen wird. Vor allem will er, dass mehr Betroffene, denen es ähnlich erging, auch einen Antrag stellen können. Mitte September fährt er daher nach Montabaur und trifft dort u.a. auch den Landesbehindertenbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Matthias Rösch. Ich will heute sehen, wo ich damals leben und wo ich dieses Unrecht erfahren musste. Auch wenn es die damalige Einrichtung so heute zum Glück nicht mehr gibt. Vor allem möchte ich, dass auch andere Menschen einen kleinen Ausgleich dafür bekommen, was sie damals erleiden mussten. Mehr kann das Geld aus dieser Stiftung nicht sein", erklärte Josef Ströbl.
Josef Ströbl und die ISL fordern die für die Stiftung verantwortlichen Akteure des Bundes, der Länder und der Kirchen auf, die Anmeldefrist für Anträge bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe um zwei Jahre bei Ende 2021 zu verlängern und damit ein klares Signal für die Betroffenen zu setzen.