Wind und Wetter am Bodensee getrotzt
Friedrichshafen: Unterschiedliche Organisationen der Selbstvertretungsbewegung von Menschen mit Behinderung im Bodenseekreis hatten erstmalig in Friedrichshafen zu einer Protestkundgebung am 4. Mai aufgerufen. Trotz sehr schlechtem Wetter mit starkem Wind und Dauerregen wurde die Kundgebung durchgeführt. Inklusionsbotschafter Thomas Schalski dankte den Teilnehmer*innen der Kundgebung, die dem Wetter getrotzt haben und sich für eine inklusive Gesellschaft eingesetzt haben.
In seiner Rede wies Inklusionsbotschafter Thomas Schalski darauf hin, warum man in Friedrichhafen zusammengekommen war. "Es gibt hunderte von schönen Broschüren, Absichtserklärungen und Manifeste zur inklusiven Gesellschaft. Solange aber sich das Leben von Menschen mit Behinderung im alltäglichen Leben nicht verändert, sind wir noch weit weg von einer inklusiven Gesellschaft. Daher ist dieser Tag ein Protest- und kein Aktionstag."
Peter Marx vom Projekt Casco der Interessensvertretung Selbstbestimmtes Leben in Deutschland (ISL) verwies in seinem Redebeitrag darauf, dass trotz 10 Jahre UN Behindertenkonvention, die zwar kleine Schritte in Richtung inklusive Gesellschaft gebracht hat, Menschen mit Behinderung weiterhin benachteiligt sind. Die Bilanz zum Bundesteilhabegesetz fällt nach Ansicht der Redner bisher nicht positiv aus. Beide Redner verwiesen auf alltägliche Beispiele, wie das von Markus Igel und anderer behinderter Menschen, die zeigten, dass sich durch das Bundesteilhabegesetz in den letzten zwei Jahren an der alltäglichen Situation nichts geändert habe. Markus Igel warte immer noch auf eine Entscheidung, die ihm auch weiterhin ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht. Auch wenn dies noch nach dem alten Recht geschehe, ließe dies nicht auf eine asssistenzfreundliche Umsetzung des bundesteilhabegesetzes hoffen, wenn diese Regelungen zum 1. Januar 2020 in Kraft treten.
"Nehmen wir das Stichwort Europa-Wahl. Allen ist der Skandal um den Wahlrechtsausschluss von Menschen mit Behinderung bekannt. Das Bundesverfassungsgericht musste gleich zweimal die Regierung der großen Koalition dazu zwingen, das Grundrecht des Wahlrechts umzusetzen. Daran sollten Menschen mit Behinderung denken, wann man sie am 26 Mai zur Europawahl gehen. Ein weiteres Beispiel sind die geplante Änderungen im Schwerbehindertenrecht, die zu einer massiven Verschlechterung für Menschen mit Behinderung führen wird, wenn es beim jetzigen Referentenentwurf bleiben sollte", betonte Thomas Schalski. Der Verein Bürger für Bürger hatte hiergegen eine Online Petition durchgeführt, welche knapp 4.000 Menschen, davon 80 Prozent Schwerbehindertenvertreter*innen unterzeichnet haben. Diese Unterschriften wurden nun an den Bundesarbeitsminister sowie die Bundestagsfraktionen weitergeleitet.
Gemeinsam stellten Peter Marx und Thomas Schalski folgende Forderungen auf
- Konsequente Umsetzung der Behindertenrechtkonvention
- Inklusion darf nicht abhängig von Finanzen sein
- Jeder Mensch mit Behinderung muss selbstbestimmt leben können
Nach der Kundgebung gab es am Infostand der EUTB Bodenseekreis/Oberschwaben noch viele Diskussionen über die Themen Assistenz, Persönliches Budget und andere Formen des selbstbestimmten Lebens. Nach der Kundgebung wurde dann der Protest auf dem Schiff Graf Zeppelin auf dem Bodensee fortgesetzt. "Wir werden auf alle Fälle das nächste Jahr die Kundgebung erneut veranstalten und dann hoffentlich mit besserem Wetter", so das Resümé von Thomas Schalski.