Neun Rollstühle und viele Schüler*innen
Erfurt (kobinet) Für diejenigen, die am Freitag auf dem Domplatz in Erfurt unterwegs waren, zeigte sich ein nicht unbedingt gewohntes Bild. Viele Kinder, die in Rollstühlen umher fuhren, wurden von einer ganzen Reihe anderer Kinder umringt, die gemeinsam miteinander spielten. Insgesamt waren es neun Rollstühle, mit denen Schüler*innen aus der Klasse vier bis sechs der ATKIV Schule aus Erfurt zuvor in der Stadt unterwegs waren, die sich dort zum Abschluss einer Rollstuhlrallye trafen, die u.a. vom Inklusionsbotschafter Marco Pompe und dessen Bruder organisiert wurde und mittlerweile schon zum dritten Mal stattfand.
Die Schüler*innen waren mit jeweils einer Person, die selbst einen Rollstuhl nutzt in kleineren Gruppen in der Stadt, am Bahnhof und an der Universität unterwegs und testeten die verschiedenen Orte auf ihre Barrierefreiheit. Auf dem Domplatz zogen sie Bilanz und berichteten von ihren Erfahrungen. In der Stadt gab es einige Geschäfte, in die man mit dem Rollstuhl nicht rein kam oder an denen es zum Beispiel eine Rampe gab, die viel zu steil war und wohl nur für die Anlieferer von Waren gedacht sind. Am Bahnhof erfuhren die Schüler*innen, dass man nicht einfach dort hin gehen und in einen X-beliebigen Zug einsteigen kann. Die anvisierte Fahrt nach Hamburg könnte beispielsweise erst nach einer Anmeldung bei der Mobilitätsservicezentrale in zwei Tagen stattfinden, während andere einfach in den Zug einsteigen. Und auch an der Universität gab es einiges zu erleben, wie man zum Beispiel in der Mensa klar kommt, wenn man einen Rollstuhl nutzt.
Einig waren sich die Schüler*innen darin, dass es viel zu viele Barrieren gibt, die beseitigt werden müssen. Am besten wäre es, wenn die von vorne herein vermieden werden, wenn neu gebaut wird und dass die, die es schon gibt, durch Rampen oder andere Möglichkeiten überwunden werden. Dass es nicht nur bei der Rollstuhlrallye bleibt, machten die Lehrer*innen der AKTIV Schule deutlich. Dies sei ins Unterrichtskonzept mit eingewoben, zuvor hatten sich die Schüler*innen beispielsweise mit der UN-Behindertenrechtskonvention beschäftigt und hoffentlich klappe es bald auch mit einem Rollstuhlbasketballspiel im Sportunterricht.
Für Marco Pompe, der sich als Inklusionsbotschafter auch für die Inklusion an den Schulen stark macht, hat es sichtlich Spaß gemacht, von so vielen offenen und engagierten Schüler*innen umringt, Fragen zu beantworten und Tipps bei der Nutzung des Rollstuhls zu geben. Für diejenigen, die am Domplatz in Erfurt vorbei kamen, wird es hoffentlich bald normal sein, dass Schulen sich mit dem Thema Behinderung befassen und solche und ähnliche Aktivitäten durchführen. Die Reaktionen auf die verschiedenen Gruppen, die in der Stadt unterwegs waren, seien auf jeden Fall positiv gewesen.
Dass die Mehrheit der Jugendlichen in Deutschland (91 Prozent) das Engagement für Inklusion wichtig findet und sogar 84 Prozent der 15 bis 24-Jährigen sich zukünftig selbst für die Belange anderer einsetzen wollen, das hatte eine von der Aktion Mensch in Auftrag gegebene Umfrage hervorgebracht, die am Freitag zum Start des Jugendaktionscamps in Bonn veröffentlicht wurde. Mit ihrem persönlichen Einsatz wollen die Jugendlichen demnach vor allem die Gesellschaft von morgen mitgestalten (64 Prozent) oder ganz einfach "anderen Menschen helfen und Gutes tun" (44 Prozent).
Link zu weiteren Infos zur Umfrage
Heute, am 5. Mai, geht das Jugendaktionscamp der Aktion Mensch mit einem Demonstrationszug, zu dem alle, die das Ziel der Inklusion unterstützen, herzlich eingeladen sind, um 15:00 Uhr an der Adenauerallee/Hofgarten (Macke-Skulptur), Nähe Koblenzer Tor, los. Die Abschlusskundgebung findet um 15:30 Uhr auf dem Münsterplatz (Beethovendenkmal) statt. Dort wird Camp-Teilnehmerin und Inklusionsbotschafterin Joscha Röder die erarbeiteten Forderungen an Dr. Joachim Stamp, stellvertretender NRW-Ministerpräsident und Landesminister für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration, übergeben. Die Kundgebung endet gegen 16:00 Uhr.
Link zu weiteren Infos zur heutigen Demonstration und zum Jugendcamp