01.12.2006: Beispielhafte Zielvereinbarung zum Persönlichen Budget
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- Erstellt: Donnerstag, 14. Oktober 2010 14:14
"Wir freuen uns riesig, dass sich die monatelange Arbeit und die Verhandlungen jetzt ausgezahlt haben und wir nun einen positiven Bescheid für ein trägerübergreifendes persönliches Budget in Händen halten können. Das schöne dabei ist, dass der Bescheid ein wirklich beispielhafter Abschluss einer Zielvereinbarung darstellt, der voll im Sinne des Geistes persönlicher Budgets ist", erklärten Karsten Eckhardt und Uwe Frevert.
Karsten Eckhardt hat Muskeldystrophie, nutzt eine mechanische Beatmung sowie einen Elektrorollstuhl und ist berufstätig. Um seine personellen Hilfen so individuell wie möglich, entsprechend seinen Bedürfnissen organisieren zu können, wollte sich Karsten Eckhardt von seinem bisherigen Pflegedienst lösen und die Assistenz im Rahmen des Arbeitgebermodells selbst organisieren. Hierfür stellte er mit Unterstützung von Uwe Frevert vom Kasseler Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (fab) im Mai 2006 einen Antrag beim Integrationsamt, das beim Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) angesiedelt ist. Das Integrationsamt hat zwar nur einen geringeren Kostenanteil an den gesamten Assistenzleistungen als andere Träger, doch die gute Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt war für Karsten Eckhardt ausschlaggebend, dieses als Beauftragten für den Abschluss einer Zielvereinbarung für ein persönliches Budget zu wählen.
Die vereinbarte Leistungserbringung im Rahmen des trägerübergreifenden persönlichen Budgets enthält eine Reihe von Komponenten, die beispielhaft sind: Neben der Tatsache, dass das persönliche Budget zukünftig im Rahmen des Arbeitgebermodells, also von Karsten Eckhardt eigenständig organisiert werden kann, ist es mit dem Abschluss der Zielvereinbarung gelungen, sechs beteiligte Kostenträger unter einen Hut zu bekommen und die zukünftige Leistungserbringung und -abrechnung zu vereinfachen. Gutscheine der Pflegeversicherung werden darüber hinaus zukünftig mittels eines Kooperationsvertrages verrechnet, eine Dynamisierung des Gesamtbudgets ist gewährleistet, eine Schwankungsreserve für bis zu drei Monate wurde vereinbart und die Rückführung überschüssiger Finanzmittel an die Leistungsträger ist geregelt. Wichtig ist auch, dass zukünftig ein ungekürztes pauschales Pflegegeld gezahlt wird. "All dies sind enorm wichtige Komponenten für ein wirklich bedarfsdeckendes trägerübergreifendes persönliches Budget, die wir im Bescheid endlich einmal verankern konnten", so Uwe Frevert.
Mit der Schwankungsreserve wird beispielsweise die Assistenz im Krankenhaus für Karsten Eckhardt gewährleistet und Gelder zur Einarbeitung neuer AssistentInnen sind darin ebenfalls vorgesehen. Schulungsmaßnahmen für AssistentInnen und doppelte Ausgaben im Urlaubsfall des Berechtigten, wie zum Beispiel die Unterkunft der AssistentInnen etc., sind in der Schwankungsreserve ebenfalls enthalten, wie finanzielle Anreize für AssistentInnen zur Arbeit an Sonn- und Feiertagen.
Die Zahlung des pauschalen Pflegegeldes nach § 64 Abs.3 SGB XII ermöglicht Karsten Eckhardt darüber hinaus zukünftig die Lohnbuchhaltung, die Beratung, Schulung und das Training für ihn als behinderten Arbeitgeber, sowie Regieaufwendungen für Telefon, EDV, Porto etc. zu finanzieren.
"Wir hoffen, dass dieses Beispiel Schule macht und wir viele weitere bedarfsdeckende trägerübergreifende persönliche Budgets sehen werden, denn diese sind ein wichtiges Instrument, um behinderten Menschen eine wirkliche Selbstbestimmung zu ermöglichen", so Uwe Frevert, der sich neben seiner Beratertätigkeit beim fab Kassel auch im Rahmen seiner Vorstandstätigkeit bei der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) für bedarfsdeckende trägerübergreifende persönliche Budgets stark macht. "Statt unser Denken an Systemen, Kostenträgern oder an Einrichtungen zu orientieren, müssen wir den Blick auf den einzelnen behinderten Menschen richten und die Hilfen für diese so ausrichten, dass es für sie passt, ein möglichst selbstbestimmtes Leben ermöglicht wird und die Abrechnung unkompliziert vonstatten gehen kann", fordert Uwe Frevert.
Damit das Rad nicht immer wieder neu erfunden werden muss und auch andere behinderte Menschen und Leistungsträger von dieser Zielvereinbarung lernen können, dokumentieren wir im folgenden einige dazugehörige anonymisierte Dokumente zur Nachahmung.